Agrarvögel in Nöten

(Heraus)Forderungen an eine moderne Landwirtschaft

Am Beispiel der Jahresvögel kann man sehen, dass moderne auf Effizienz und Ertrag getrimmte Landwirtschaft auf Dauer nicht nur das Ende dieser Vögel, sondern von allem mit ihnen verbundenen Leben besiegelt. Auch Insekten, Spinnen, Würmer, sogar die Säugetiere haben Schwierigkeiten in dem monotonen Einerlei aus Mais, Raps und Wintergetreide ihren Platz zu finden, die mangelnde Vielfalt macht vielen Organismen ein dauerhaftes Überleben unmöglich. Was also tun?

pixaby/Hans Linde
pixaby/Hans Linde

Es muss auf zwei Ebenen gehandelt werden, auf der politischen und der Ebene der VerbraucherInnen. Die Politik muss unabhängig von der Agrarlobby dafür sorgen, dass Subventionen für Landwirte nicht überwiegend abhängig sind von der bewirtschafteten Fläche, sondern davon, wie auf diesen Flächen gearbeitet wird. Langfristig wird kein Weg daran vorbeiführen, dass Landwirtschaft ausschließlich ökologisch und nachhaltig betrieben wird. Politik muss dafür den Weg ebenen und auch dafür sorgen, dass Landwirte bei dieser Umstellung, der ganz klar mit Mehraufwand verbunden ist, unterstützt werden.

  

Wir als VerbraucherInnen tragen unseren Teil dazu bei, indem wir die Politik dazu auffordern, dieses Anliegen auf Landes- Bundes- und Europaebene voranzutreiben. Eine konkrete Möglichkeit ist die Unterschrift für das NRW Volksbegehren „Artenvielfalt“. Einer der darin enthaltenen acht Forderungen an die Landesregierung ist, dass das Land Nordrhein-Westfalen auf den eigenen Flächen Vorreiter für den Erhalt der Artenvielfalt wird. Dazu müssen schnellstmöglich alle Grünland- und Ackerflächen im Eigentum des Landes nach den Grundsätzen des ökologischen Landbaus bewirtschaftet werden. Die vom Land betriebenen oder verpachteten Einrichtungen der Gemeinschaftsverpflegung (Kantinen etc.) sollen verbindlich und vorrangig Erzeugnisse aus regionalem ökologischem Anbau und regionaler extensiver Weidehaltung beziehen. Dadurch soll auch die von Bauern geforderte stärkere Nachfrage nach umwelt- und tierschutzgerecht erzeugten Lebensmitteln dauerhaft gesteigert werden. Förderprogramme des Landes für Kommunen bei der Gemeinschaftsverpflegung sollen dies ebenfalls als Fördervoraussetzung festschreiben. Insgesamt sollen in Nordrhein-Westfalen bis 2030 25% der Anbauflächen ökologisch bewirtschaftet werden.

 

Wir müssen nicht auf die Politik warten, um bereits jetzt konkret nachhaltige Landwirtschaft zu unterstützen. Bioprodukte stehen heute bereits in den meisten Supermärkten und Discountren zur Verfügung. Der Preis ist im Vergleich zu einem konventionellen Produkt meist nur gering höher. Aber klar, wer auf Geld achten muss, wird wahrscheinlich nicht zum Bioprodukt greifen. Auch eim Kauf von konventionellen erzeugten Waren kann man bereits viel tun:

  • Vermeidung von Lebensmittelverschwendung: Kaufen Sie gezielt und mit einem Plan ein, was in den nächsten Tagen auf den Tisch soll. Das beugt vor, dass man zuviel einkauft und Lebensmittel verderben und entsorgt werden müssen.
  • Kauf von unverarbeiteten Produkten: Bei Speisen, die man selber zubereitet und gekocht hat, weiss man, was drin ist und kann man auch nach eignem Gusto würzen. Fertig- und Convenienceprodukte enthalten meist nur Produkte der konventionellen Landwirtschaft, Fleisch aus Massentierhaltung und dazu eine Vielzahl von Zusatzstoffen. Beim Selberkochen kann man selbst wählen, welche Qualität die verwendeten Produkte haben.
  • Reduzierung von Fleisch: Wer kennt ihn noch den „Sonntagsbraten“. Früher war es üblich Fleischspeisen nur selten und an besonderen Tagen zu essen. Heute stehen und Fleisch bei vielen mehrfach am Tag auf dem Tisch. Oder man holt sich noch schnell die Bratwurst auf die Hand. Möglich macht das die konventionelle Landwirtschaft  mit Tieren in Massenzuchtanlagen, deren Futter in Monokulturen erzeugt wird, so dass Tiere zu einem Billigprodukt verkommen sind. Fleischfreie Tage sind ein wichtiger Schritt und zunehmend gibt es vegetarischen und veganen „Fleischersatz“ als Alternativen. Die Reduzierung von Fleisch zugunsten von mehr pflanzlicher Kost hat noch dazu gesundheitliche Vorteile.

  • Regional und saisonal: Erdbeeren, die Mitte Dezember in der Auslage liegen, sind sicher von sehr weit her zu uns gekommen oder teuer unter Glas hergestellt. Besser ist es, sich an die Produkte zu halten, die hier erzeugt wurden und zur Jahreszeit passen. Diese findet man auch im Supermarkt, dazu muss man einfach nur die Herkunftsangabe prüfen. Zudem gibt es Wochenmärkte, auf denen meist lokale ErzeugerInnen ihre Produkte anbieten und bei denen man konkrete Nachfragen stellen kann. Manche LandwirtInnen führen einen Hofladen, in dem man saisonale Ware aus eigenem Anbau beziehen kann.

Vergleich der deutschen Biosiegel

 

Die oben aufgelisteten Massnahmen sind nur ein Bruchteil dessen, was an grösseren und kleineren Maßnahmen erforderlich ist, damit Landwirtschaft wieder überlebensfähig wird, dass Feldvögel als Vertreter einer ökologisch bedeutsamen Nische Lebensraum finden. Die Tiere sind dabei nur ein Glied in einer Kette zu der aber letzlich auch der Mensch gehört. Die Massnahmen erheben nicht den Anspruch vollständig sein, sondern sollen einen Impuls geben und vor allem eines zeigen: keiner kann es alleine schaffen.

 

Moderne Landwirtschaft befindet sich in einer wechselseitigen Beziehung von Politik, VermarkterInnen und VerbraucherInnen, die abhängig von landwirstchaftlichen Produkten sind. Lösungen kann es daher nur gemeinsam und mit gegenseitiger Unterstützung geben.

 

GAP - Gemeinsame Agrarpolitik Europas

oder: Vertane Chancen zur Wahrung der ökologischen Vielfalt

Seit 1957 gibt es die gemeinsame Agrar-Politik Europa, bei der für alle teilnehmenden Länder gemeinsame über die Verteilung der landwirtschaftlichen Subventionen entschieden wird. Am Anfang waren es eine Handvoll Staaten, und die zugrundeliegende Idee war, dass die Versorgung der europäischen Menschen stets gesichert sein sollte. Inzwischen verhandeln Vertreter von 27 Staaten alle 7 Jahre den zweitgrößten EU-Haushaltsposten.

 

Das Budget für den Zeitraum bis 2027 liegt bei knapp 400.000.000.000 EUR (400 Milliarden Euro) und die Verteilung erfolgt über zwei Säulen. Die erste Säule sind Direktzahlungen pro Fläche. Mit anderen Worten: je mehr Hektar Land ein Landwirt oder Unternehmen besitzt, desto mehr Geld gibt es. Dabei spielt es keine Rolle, was produziert und vor allem wie auf diesem Land gewirtschaftet wird. 75% des Budgets wird auf diese Weise verteilt. Der zweiten Säule sind Mittel vorbehalten, die neben weiteren Maßnahmen, auch für Natur- und Klimaschutzmaßnahmen vorgesehen sind.

 

In diesem Jahr fanden Neuverhandlungen der GAP statt, auch wurde die Verteilung angepasst, aber unterm Strich haben sich die Dinge nicht zum Besseren gewendet. Seit Jahren haben sich die Naturschutzverbände, nicht nur der NABU, für eine grundlegende Reform der GAP eingesetzt und klare Fakten und Forderungen genannt.  Aber auch die deutsche Regierung hat sich entschieden, den bisherigen Kurs weiterzuverfolgen, trotz aller Probleme, die damit verbunden sind.

 

Abzusehen ist, dass die Folgekosten, die durch das Unterlassen eines Wechsels zu einer ökologischen, nachhaltigen Landwirtschaft entstehen, immer höher steigen werden. Bereits heute stehen viele Landwirtinnen unter einem enormen Preisdruck, der dazu führt, dass sie nicht mehr wettbewerbsfähig sind und im schlimmsten Fall ihren Hof aufgeben müssen. Übernommen werden diese dann durch Agrarkonzerne, die kein Interesse daran haben, ökologisch zu arbeiten.

 

Für die Bestände der Feldvögel, der Tiere und Pflanzen des ländlichen Raums, werden es ohne einen grundlegenden Wandel weitere harte Jahre bis zur nächsten Verhandlung der GAP werden und erwartungsgemäß werden wir deutliche Bestandsrückgänge sehen. Als eine von vielen betroffenen Arten wird die Feldlerche, vor 30 Jahren noch ein Allerweltsvogel und überall in Feldern anzutreffen, vielleicht in wenigen Jahren schon bei uns ausgestorben sein.

Text und Grafik: Mirjam Gördes, NABU Herten