Text und Fotos von Hermann Bergjürgen
Unscheinbare Fleckchen Erde mit ein paar Grashalmen, krautigen Pflanzen und hier und da einem kleinen Strauch, dazwischen einige Steinchen und überwiegend „blanke“ Erde. Manch einer wird bei diesem Anblick überlegen, wie man solche Flächen schöner und ansehnlicher gestalten könnte, aber aus Sicht von Bienen, Wespen, Käfern, Heuschrecken, Spinnen… sollte sich nichts ändern.
Erst mit etwas Geduld und bei genauerem Hinsehen, fallen einem die in der Regel gut getarnten Bewohner dieser Flächen auf. Viele der an solchen Stellen vorkommenden Insekten graben tiefe Höhlen in den Erdboden, um dort ihre Eier in vorbereitete Brutkammern abzulegen. Sie tragen Nahrung, in welcher Form auch immer, in ihre Höhlen ein, um ihren Nachwuchs damit zu ernähren, bis dieser sich verpuppt. Einige Fluginsekten müssen weite Wege zurücklegen, um an den erwähnten Proviant zu gelangen. Die Frühlingsseidenbiene fliegt bis zur nächsten blühenden Weide, der Bienenwolf muss sich auf die Suche nach einem größeren Vorkommen der Honigbiene machen, wobei insbesondere die Solitärwespen häufig ihre Nistplätze in der Nähe der Beutetiere anlegen. Manche Wespen gehen zuerst auf die Jagd und graben dann erst ihre Bruthöhle während sie die Beute in der Nähe verstecken. Es gibt Bienen, Wespen und Fliegen, die darauf lauern in einem unbeobachteten Moment in die fremden Höhlen einzudringen. Sie legen ihrerseits Eier in die Brutkammern der „Höhlenbesitzerinnen“ und entweder frisst der Eindringling oder dessen Nachwuchs die „rechtmäßigen“ Eier oder Larven.
Hier ist eine kleine Welt, die den meisten Menschen verborgen bleibt. Bei etwas Geduld sieht man eine Fülle an Insekten, Spinnen und allerlei andere Tiere, die sich auf die Schnelle gar nicht identifizieren lassen.
Einige Tiere möchte ich hier vorstellen, wobei es nur eine sehr kleine Auswahl sein kann.
Fotos: links die Blauflügelige Ödlandschrecke, rechts die blauflügelige Sandschrecke
Die Blauflügelige Ödlandschrecke und ihre „Schwester“, die Blauflügelige Sandschrecke, werden häufig nur wahrgenommen, wenn sie auffliegen. Beide sonnenverliebten Arten sind auf offene Bodenflächen angewiesen und je nach Untergrundfarbe, an die sie sich mit jeder Häutung anpassen, sind die Schrecken gelbbraun wie Sand, braun wie Mutterboden oder grau wie Schotter und Splitt. Sie ernähren sich überwiegend von Gräsern, die vereinzelt dort wachsen. Unterscheiden kann man die Sand- von der Ödlandschrecke bei genauem Hinsehen unter anderem am Nackenschild. Die Ödlandschrecke (Bild links) hat einen dachfirstförmigen, die Sandschrecke einen glatten Nackenschild (Bild rechts). Die Männchen der Sandschrecke laufen bei der Suche nach Weibchen umher. Treffen zwei oder mehrere Männchen aufeinander, betasten sie sich mit den Fühlern ohne jegliche Aggression und ziehen dann ihrer Wege. Treffen sie auf ein Weibchen, versuchen sie sogleich ihren Beitrag zur Arterhaltung zu leisten; sofern die „Angebetete“ zur Paarung bereit ist, kommen sie auch umgehend zum Zuge. Ist das nicht der Fall wird das kleinere Männchen einfach abgeschüttelt. Die Weibchen legen ihre Eier im Boden ab, wo diese dann überwintern. Im Frühling tauchen dann die flugunfähigen Nymphen der Blauflügelschrecken auf, die zunächst nicht größer sind als kleine Ameisen. Verfolgern entkommen sie durch weite Sprünge. Die namensgebenden blauen Hinterflügel sieht man nur, wenn die erwachsenen Schrecken auffliegen.
Der Stierkäfer gehört zu den Mistkäfern und wirkt mit seinen drei „Hörnern“ etwas bizarr. Er hat sich auf die kleinen Hinterlassenschaften von Kaninchen, Hasen, Rehen oder Schafen „spezialisiert“, alles Tiere, die im Offenland zuhause sind. Die „Beute“, die wohl recht frisch sein sollte, da sie dann besonders verführerisch duftet, holt ausschließlich das Männchen. Es schaut ein wenig unbeholfen aus, wenn der Käfer das Kotkügelchen mit dem vorderen Beinpaar ergreift und vor sich her trägt, etwa so wie wir Menschen einen Getränkekasten tragen. „Zuhause“ angekommen wird die Fracht ablegt, um zum Höhleneingang zu krabbeln und dort nachzuschauen, ob alles in Ordnung ist. Notfalls werden Hindernisse, wie vom Wind herbei gewehte Pflanzenstückchen oder Steinchen, weggeräumt. Wenn der Käfer den Höhleneingang freigelegt hat, krabbelt er rückwärts mit dem Objekt der Begierde hinab zum Weibchen, das dann Eier neben die zukünftige „Kindernahrung“ ablegt. Wobei die erwachsenen Käfer dieselbe Nahrung zu sich nehmen. Die etwa fingernagelgroßen schwarzen Käfer haben kräftige, gezahnte „Grabbeine“, mit denen die Erde aufgelockert wird, und mit den hinteren zwei Beinpaaren wird der „Abraum“ aus dem Höhleneingang geschoben. So graben die kleinen Käfer im Durchschnitt über einen Meter tiefe Gänge, was im Winter den Nachwuchs z.B. vor starkem Frost schützt. Sie sind nicht häufig zu sehen, aber bei meiner zufälligen Sichtung war wohl ein verlockender Duft in der Nähe vom Käfer-Unterschlupf derart intensiv, so dass er nicht wiederstehen konnte
Der Dünensandlaufkäfer ist ein “furchterregender“ Beutegreifer, der unbedingt freies Gelände benötigt, um seine rasanten Verfolgungsjagden erfolgreich durchzuführen. Er schnappt sich mit seinen spitzen, kräftigen Mundwerkzeugen alles, was so in seinem Blickfeld auftaucht und er erreichen und überwältigen kann. Mit seinen langen Beinen und den großen Augen, ist er bestens für die Jagd auch auf flinke Beutetiere, wie z.B. Wolfsspinnen und Ameisen, ausgerüstet. Kommt man ihm zu nah, dann fliegt er ein kurzes Stück weiter. Ich habe einen Käfer angetroffen, der in Windeseile ein Loch gegraben hat, bis der gelöste Sand den Höhleneingang wieder verschlossen hat. Ich vermute, dass aus der Höhle eine Brutkammer wurde. Der ausgewachsene Käfer geht aktiv auf die Jagd - im Gegensatz zu seiner Larve, die in einer Erdröhre auf ihre Beute wartet, die sie von unten mit ihren großen Zangen ergreift und dabei auch nicht vor ihrer erwachsenen Verwandtschaft halt macht.
Fotos: links Frühlingsseidenbiene, mitte Riesen-Blutbiene, rechts Männliche und Weibliche Frühlingsseidenbienen beim „Ringkampf"
Die Frühlingsseidenbiene (Foto links), die der Honigbiene in Größe und Aussehen ähnelt, ist zur Biene des Jahres 2023 auserkoren worden. Im März gehört sie zu den ersten Solitärbienen, die Höhlen mit abzweigenden Brutzellen, in die Erde graben, um dort z.B. Pollen und Nektar einzutragen. Das machen sie, um später ihren Nachwuchs damit zu versorgen. Bei dieser frühen Art überwintern die voll ausgebildeten Bienen in ihren mit seidig glänzendem Bienenspeichel (daher der Name Seidenbiene) ausgekleideten Bruthöhlen, daher benötigen sie im Frühjahr keine Entwicklungszeit mehr. Es gibt „Neider“, die nicht so gerne arbeiten wie z.B. die Riesen-Blutbiene, (Foto rechts) die wegen ihres blutroten Hinterleibes ihren Namen trägt. Sie „baldowert“ aus, welche Höhlen von Seidenbienen besetzt sind, um dann ihre Eier auf den Vorrat der schwer arbeitenden Biene abzulegen und deren Eier zu verspeisen.
Fotos: links Große Weiden Sandbiene, rechts rothaarige Wespenbiene
Die Große Weiden Sandbiene, eine weitere Solitärbiene, ernährt sich, wie die Frühlingsseidenbiene, überwiegend von den Blüten (Foto links) verschiedener Weiden, die zu den Frühblühern zählen. Beide, also Biene und Weide, sind mehr oder weniger auf einander abgestimmt. Die Bienen finden sichere Nahrung und die Weiden haben sichere Bestäuber. Sollte sich z.B. durch den Klimawandel die Blütezeit der Weiden oder die Schlupfzeit der Bienen verschieben bricht dieses Zusammenspiel schnell zusammen. Die Männchen der Frühlingsseidenbiene und die Männchen der Großen Weiden Sandbiene machen sich aktiv auf die Suche nach den Weibchen ihrer Art, wobei sie „vorsorglich“ alles anfliegen, was einem Bienenweibchen ähnlich sieht - kleine Holzstückchen, lauernde Riesen-Blutbienen oder ein dunkles Steinchen. Die männlichen Bienen gehören auch nicht zu den sanften Liebhabern, da geht es schon etwas ruppiger zur Sache, was schon mal auf Kosten eines Flügels geht und hin und wieder nach Griechisch/Römischem Ringkampf ausschaut.
Auch im Leben der Großen Weiden Sandbiene gibt es eine parasitische Kuckucksbiene, die Rothaarige Wespenbiene, (Foto rechts) sie fliegt suchend umher und besucht häufig mehrmals dieselben Bruthöhlen und legt, kurz nachdem die „Hausherrin“ ihr Ei in die vorbereitete Brutkammer ablegt, ihr eigenes Ei dort ab.
Der Bienenwolf gehört zu den Solitärwespen und die „Wölfin“ erbeutet nahezu ausschließlich Honigbienen, um ihren Nachwuchs damit zu versorgen. Sobald sie ihre Höhle verlässt um Beute zu machen, verschließt sie den Eingang, um ungebetene Gäste fern zu halten. Die direkt nach dem Überwältigen gelähmte Beute wird in die vorbereitete Brutkammer gebracht, wobei der weibliche Nachwuchs mehr „Vorratsbienen“ bekommt als der männliche. Alle Beutetiere werden von der Wespe mit dem eigenen Speichel präpariert, so dass sie nicht verderben.
Auch die wehrhaften Grabwespen müssen sich vorsehen, da die viel kleineren, metallisch glänzenden Goldwespen nichts Gutes im Schilde führen. Sie lauern in der Nähe des Höhleneinganges und versuchen den Grabwespen, die mit der Beute die Bruthöhle betreten, unmittelbar zu folgen. Wie die weiter oben beschriebenen parasitisch lebenden Bienen legen sie, wenn sie unbemerkt bleiben, ihr Ei in die Brutkammer und die daraus schlüpfende Larve macht sich über das Wespenei und den Nahrungsvorrat her. Goldwespen haben eine recht dicke Chitinhülle, die sie vor Angriffen der Wirtstiere schützt.
Die Lebensweise von Blut- und Wespenbiene oder Goldwespe stimmen sicherlich nicht mit unseren Moralvorstellungen überein aber sie sind genauso schützenswert, wie all die anderen Insekten. In einem schon sehr langen Zusammenspiel wird das parasitisch lebende Insekt seinen Wirt nie im Bestand gefährden.
Wenn sich die Bienen und Wespen in ihren Höhlen nach der schweren Arbeit ausruhen, dann bewachen sie den Höhleneingang, um zu verhindern, dass ungebetene Gäste dort eindringen.
Anders als der Stierkäfer lockern der Bienenwolf, die Frühlingsseidenbiene und auch die Große Weiden Sandbiene den Boden mit ihren Mandibeln, den Mundwerkzeugen, auf. Ihre vorderen Beinchen sind viel zu zerbrechlich für diese schwere Arbeit. Den gelockerten Sand schieben sie mit den hinteren Beinen und dem Körper aus der Höhle.
Fotos: links Pillenwespe beim Nestbau, rechts fertiges Nest kurz vor dem Verschluss
Die Pillenwespe formt aus feuchtem lehmigem Boden eine Art henkellose Amphore, bei deren Anblick ich mir sicher bin, dass die „alten Griechen“ bei den Insekten „abgekupfert“ haben.
In dieses Gebilde legt sie ein Ei und trägt anschließend Schmetterlingsraupen ein, die sie durch einen Stich mit ihrem Stachel gelähmt hat, diese dienen dann als Nahrungsvorrat für den Wespennachwuchs. Wenn alles verzehrt ist, verpuppt sich die Larve und überwintert in ihrer verschlossenen Unterkunft, die an einem Halm befestigt und wohl wasserdicht ist. Wobei es Pillenwespen gibt, die mehrere Generationen im Jahr hervorbringen. Ob die Unterkunft der Sommergenerationen dieselben Eigenschaften hat, wie die der Überwinternden kann ich nicht sagen. Ich habe die Nester mal einzeln oder in kleinen Gruppen vorgefunden und sie waren entweder an trockenen Halmen oder an Kiefernnadeln angebracht. Da sowohl bei den „toten“ Halmen als auch bei den Kiefernadeln kein Dickenwachstum mehr zu erwarten ist, besteht auch nicht die Gefahr, dass der „Behälter“ durch sich ausdehnende Pflanzenteile Schaden nimmt und Risse bekommt.
Erwachsene Taillenwespen, wie Bienenwolf, Pillen- und Goldwespe sind durchweg Vegetarier und vor allem viele Solitärwespen sind fleißige Blütenbesucher, die auch für die Bestäubung verschiedenster Pflanzen sorgen. Selbst die Deutsche und die Gemeine Wespe, die sich gerne aktiv an Grillfesten beteiligen holen fleischliche Kost ausschließlich für den Nachwuchs.
Die kleine Spinne Bunter Sandwühlwolf huscht sehr flink von einem Versteck ins andere und wie es bei den Wolfsspinnen üblich ist, fängt sie ihre Beute „zu Fuß“ ohne Netz. Für diese Jagdstrategie sind die „Achtbeiner“ mit guten Komplexaugen ausgestattet, um potentielle Beutetiere optisch wahrzunehmen, die sie nach kurzem Anschleichen anspringen und mit ihren Giftklauen töten. Diese häufig nur sechs Millimeter kleine Spinne ist durch ihre mehrfarbige Körperoberseite recht gut getarnt und verbringt ihre „Freizeit“ in selbstgegrabenen bzw. gewühlten Erdhöhlen, die so um die 30 Zentimeter tief und mit Spinnfäden ausgekleidet sind. Bei Gefahr oder zum Winterschlaf wird der Höhleneingang zugesponnen und ist dann nicht mehr wahrzunehmen.
Die Labyrinthspinne besiedelt denselben Lebensraum, wendet aber eine ganz andere Jagdtaktik an. Sie baut ein trichterförmiges Netz knapp über dem Boden, das sie an Halmen und Steinen abspannt und wenn sich ein Insekt ins Labyrinth der Spinnfäden verfängt spurtet die Netzbewohnerin los, wickelt die Beute ein, verpasste ihr eine Giftinjektion und verspeist diese in aller Ruhe. Am Ende des Sommers sieht das „Esszimmer“ vom Spinnennetz sehr unaufgeräumt aus, da sich dort allerlei Beutereste angesammelt haben.
Einer der Gründe für den Artenschwund ist der Verlust von Lebensraum - nicht nur global bei Nashorn, Orang-Utan oder Meeresschildkröten - auch regional schwindet die Lebensgrundlage vieler Tiere und Pflanzen durch Flächenversiegelung. Täglich werden in Deutschland hektarweise Flächen überbaut und zu geteert. Dabei sind Brachflächen von existentieller Wichtigkeit für Pflanzen, wie das Echte Tausendgüldenkraut oder das Kleinblütige Vergissmeinnicht, um dort ungestört wachsen und Tiere, wie Erdbienen und –wespen um Leben und überleben zu können. Dabei genügen schon kleine Flächen, die bestenfalls von der Sonne beschienen und zum Teil der Sukzession überlassen werden können. Heimische Insekten mögen lieber Huflattich und Hirtentäschel als exotische Pflanzen.
Anmerkung: Der überwiegende Teil meiner Beschreibungen fußt auf eigenen Beobachtungen.